Berg | Höhe [m] | UIAA | Land | Datum | Versuch | Video |
Lagginhorn | 4010 | II | Schweiz | 27.12.2023 | 1. Versuch | |
Weissmies | 4017 | II | Schweiz | 30.12.2023 | 2. Versuch |
Europas größter Gebirgszug sind die Alpen. In diesem Alpenraum gibt es in Summe 82 Berge mit einer Höhe über 4000 Meter, welche durch die Alpinismusvereinigung UIAA in einer Hauptliste definiert wurde.
Der höchste Berg der Alpen ist mit 4810 m der Mont Blanc und steht im Grenzgebiet zwischen Frankreich und Italien.
Allein die Schweiz hat 48 der insgesamt 82 Viertausender, während sich der Rest im Grenzgebiet zwischen Frankreich und Italien verteilt. Viele Gipfel hier kann man als Grenzgipfel betrachten und werden so beiden Ländern zugesprochen.
Aber warum eigentlich auf einen Viertausender klettern?
Seit der Erfindung des Bergsteigens hat die Höhe eines Berges neben seiner Ausgesetztheit den Menschen angezogen.
Bereits am 3. August 1811 haben die Aarauer Industriellensöhne Rudolf und Hieronymus Meyer zusammen mit den Fiescher Gämsjägern Joseph Bortis und Alois Volken die Eiskuppe der Jungfrau 4158 m erreicht.
Die Leidenschaft für Viertausender hat demnach eine lange Tradition. Und ich möchte, indem ich Viertausender im Winter besteige, diese Tradition leben und ein kleiner Teil dieser Geschichte sein.
Es geht nicht allein um die Höhe und den Namen, der auch mit einer Geschichte verbunden ist, es geht auch um größerer Herausforderungen an denen ich wachsen kann.
Für mich geht es nicht darum, hier im Vorfeld festzulegen alle Viertausender zu besteigen. Nein, es geht mir vielmehr darum, jeden einzelnen Berg individuell als Herausforderung und Abenteuer zu begreifen.
Jeder Berg über viertausend Meter ist für mich wie eine kleine Reise und ein wesentlicher Bestandteil dieser Reise sind
Stehe ich auf einem Parkplatz vor einem Berg und habe Sicht auf den Gipfel, habe ich nur einen Gedanken. Ich will da hoch!
Ich bin bereit alles zu geben aber ich will da oben stehen und zwar aus eigener Kraft. Keine Seilbahn und kein E-Bike und auch nicht im Sommer. Der Winter reizt mich. Die Schönheit der Natur ist überwältigend da draußen. Alles sieht schroffer aus in Kombination mit unendlicher Stille. Das ist es was mich anzieht.
Allen Widrigkeiten zum Trotz, der Kälte und dem Wind, dem weichen Schnee und dem endlosen Stapfen, ich möchte den Gipfel erreichen aus eigener Kraft. Stehe ich hoben herrscht unendliche Stille zwischen den Ohren. Ein unglaubliches Gefühl der Zufriedenheit macht sich breit, überwindet man sich selbst auf dem Weg nach oben.
Sich selbst bezwingen ist der schönste Gipfelsieg. Und der Winter bringt dafür die Bedingungen mit, genau das dann nach dem letzten Schritt fühlen zu dürfen.
In diesem Beitrag möchte ich grob meine Erlebnisse auf die Viertausender der Alpen teilen. Ob es alle werden spielt dabei keine Rolle. Es geht um die Reise an sich. Und die geht in diesem Fall vermutlich eher nach Innen.
Lagginhorn
Mein bisher höchster Berg war der Piz Buin als Kind mit seinen 3312 m. Nun möchte ich also als Aufsteiger eine ganze Schippe drauflegen und von 3312 m auf über 4000 m steigen.
Bereits eine Woche zuvor hatte ich einen Tag nach kalendarischem Winterbeginn 2023 mich am Weissmies versucht und bin auf etwa 3300 m krachend gescheitert. Über mehrere Wochen hatte ich im Gym meines Wohnsitzes in Stuttgart auf dem Stairmaster Höhenmeter gemacht. Durchschnittlich 850 bis 1250 m und das 3 bis 4 Mal die Woche. Eine lächerliche Vorbereitung.
Eine Woche vor meiner Abfahrt ins Wallis war ich noch in der Sierra Nevada und habe auf 2500 m geschlafen. Ich dachte wirklich, dass mich diese Dinge, neben ein paar kleinen Touren in den bayrischen Alpen vorbereiten würde. Das hat es überhaupt nicht.
Nachdem ich nun am Weissmies gescheitert bin, habe ich mir ernsthaft überlegt wieder nach Hause zu fahren. Vielleicht bin ich einfach nicht gut genug und vielleicht ist das einfach nichts für mich habe ich gedacht. Ich bin sehr hart mit mir ins Gericht gegangen.
Nachdem also ein ganzer Tag erforderlich war, um den Moralschaden zu verarbeiten habe ich beschlossen einen letzten Versuch am Lagginhorn zu wagen.
Ich wollte diesmal auf mindestens 3300 m kommen, dort biwakieren und am nächsten Morgen die restlichen 700 m überwinden.
Gegen 6:30 Uhr bin ich dann in Saas Grund gestartet. Hoffentlich nun wirklich zu meinem ersten Viertausender im Winter. Für mich ist das wirklich etwas besonderes und und fühle mich privilegiert so einen großen Berg im Winter angehen zu dürfen. Die Ausrüstung kostet ein halbes Vermögen und unterm Strich funktionieren meine Beine auch nicht schlecht.
An diesem Tag bin ich deutlich besser vorangekommen. Während am Weissmies mir nach einer Stunde schon die Lunge beinahe versagte, mach ich nun stabil Höhenmeter und komme gut voran. Ich lasse die Triftalp hinter mir, dann den Kreuzboden, wo bereits eine Menge ambitionierter Skifahrer den Lift verlassen und schließlich gelange ich zur Weissmieshütte. Ein guter Start und ich fühl mich weiterhin gut.
Da ich beschlossen habe mein Biwak auf über 3000 m zu verlegen, geht es für mich noch weiter, während andere bereits in der Hütte einquartieren.
Nachdem ich die letzte Skipiste gequert habe und mich nun Richtung Südseite des Lagginhorn richte, fange ich an die Höhe zu spüren. Die Schritte werden langsamer. Vermehrt werden kleine Pausen eingebaut aber ich komme gut vorwärts.
Die Querung des kleinen Gletscherfeldes fordert nochmal alles von mir. Der Schnee ist weich und ich komme völlig erschöpft auf etwa 3360 m an. Einem Felsvorsprung der im Winter natürlich komplett mit Schnee zugedeckt ist aber durch seine kleine Fläche ein perfekter Biwakplatz ist.
Isomatte und Unterlage sind schnell aufgebaut und da ein starker Wind geht muss ich immer ein Bein auf beiden Lagen halten, damit sie mir nicht davonfliegen während ich zuletzt meinen Schlafsack auspacke. Damit ist mein Schlafzimmer bereits hergerichtet.
Nachdem ich noch etwas gekocht und Wasser geschmolzen habe genieße ich den Sonnenuntergang hinter der Mischabelgruppe und schlafe dann auch schnell ein.
Die Nacht ist ist zeitweise doch etwas ungemütlich aufgrund des starken Windes, frieren tue ich aber nicht. Um 5:30 packe ich meine Sachen zusammen, verstaue meinen Rucksack auf dem Grat hinter einem Felsen und beginne den Aufstieg nur mit Pickel und Wanderstock.
Auch um diese frühe Uhrzeit ist der Schnee tatsächlich weich, was mich überrascht. Demzufolge komme ich nur langsam voran. Ab 3800 m verändert sich die Struktur des Schnees. Dieser formt sich zu vielen kleinen Eisklumpen.
Um 10:20 Uhr ist es dann so weit und ich erreiche den Gipfel des Lagginhorn. In diesem Moment ändert sich mein Verständnis zu meinen Möglichkeiten. Ich bin doch etwas erschöpft aber glücklich und weiß, dass ich 4000er im Winter bezwingen kann.
Weissmies
Nach meinem kleinen Vertrauensschub am Lagginhorn und einem Tag Ruhe, möchte ich einen weiteren Versuch am Weissmies wagen. Aufgrund starker Winde bis zu 80 km/h, mangelnder Akklimatisation und, dass muss an der Stelle auch ganz offen gesagt werden, meiner mangelnden Fitness, musste ich hier auf etwa 3300m umdrehen. Ziemlich frustrierend ist das gewesen und ich fühl mich wie ein von der Natur gescholtenes Kind.
Doppelt Wege zu gehen ist für mich immer eine größere mentale Belastung. Möglicherweise liegt das daran, zu wissen, dass ich hier schon einmal gescheitert bin und nun ein zweites Mal antreten muss. Zeitgleich habe ich Zweifel, ob es mir diesmal gelingen wird. Der Gedanke ein Drittes Mal diesen Weg zu Hütte zu gehen ist unendlich frustrierend.
Ich versuche mich dann meine Gedanken auf meine Reise als Gesamtkunstwerk zu richten, lausche einem Hörbuch oder höre Musik. In diesen Momenten einfach Dankbar zu sein für meine Gesundheit und mein Privileg hier in der Schweiz klettern zu dürfen, bringen mich auf den Boden zurück und ich kann den Zustieg etwas mehr genießen.
Ich starte diesmal etwas früher gegen 5:30 Uhr. Saas-Almagell schläft noch während ich meine Schuhe anziehen und den Rucksack schultere. Bereits nach Sonnenaufgang erreiche ich die Almagelleralp und ich biege links ab Richtung Allmagellerhütte. Den Weg kenne ich ja bereits und ich kann auch mindestens ein Tag alte Fußspuren erkennen. Ich bin also nicht der einzige, welcher sein Glück am Weissmies wagt zu Beginn dieser Wintersaison.
An der Almagellerhütte angekommen lass ich es wirklich gemütlich angehen. Ich koche eine Kichererbsensuppe, schmelze Wasser und liege zwei Stunden in der Sonne während meine Blicke zwischen blauem Himmel und der weiß eingekleideten Mischabelgruppe hin und her schweifen.
Um 15 Uhr starte ich dann zu meinem letzten heutigen Aufstieg zum Joch auf 3300m, wo ich biwakieren werden und meinen morgigen Aufstieg zum Weissmies starten werde. Heute geht es sehr früh ins Bett. Bereits um 17 Uhr liege ich im Schlafsack und beobachte wie langsam die Sonne untergeht während ich langsam einschlafe.
Um 2 Uhr nachts wache ich auf und fühle mich putz munter. Dennoch warte ich bis um 4:30 Uhr mein Wecker klingelt, packe zusammen, lass meinen Rucksack am Biwak liegen und starte mit Pickel und Wanderstock los.
Auf ca. 3500m stelle ich fest, dass an meinem linken Schuh das Rädchen des Boa-Systems abgerissen ist. Vermutlich ist mir dieses an einer mich Schnee bedeckten Kletterstelle, an welcher ich leicht abgerutscht bin, abgefallen. Ich habe davon aber nichts gemerkt. Nun stelle ich fest das mein Vorderfuß mit sehr viel Spielraum im Schuh liegt. Dennoch entschließe ich mich weiterzugehen. Die restlichen Meter zum Gipfel schaffe ich auch noch.
Ab 3600m bildet der Grat einen steilen Aufschwung. Dieser Teil ist komplett bedeckt mich weichem Schnee und ich sinke bei jedem Schritt tief ein. Ich freue mich auf felsiges Gelände, in dem ich besseren Grip habe, doch dieser lässt gefühlt unendlich lange auf sich warten.
Schließlich erreiche ich das Ende des Grates auf 3900m Meter. Vor mir erstreckt sich eine riesige leicht ansteigende Fläche aus Schnee und Eis. Endlich kann ich meine Spitzen der Steigeisen richtig einsetzen. Ich genieße das knackende Geräusch des einschlagendes Stahls meiner Steigeisen im Schnee und mach gute Meter.
Vor dem eigentlichen Gipfel wartet nochmal ein kleiner Felsaufschwung den es zu überwinden gilt. Auch hier ist der Schnee wieder super weich, und das auf fast 4000m. Nachdem ich diesen überwunden habe stehe ich vor dem letzten kleinen Schneefeld, das in Richtung Gipfel führt. Es sind nur noch wenige Meter und ich stehe endlich auf dem Gipfel des Weissmies.
Meine Uhr zeigt 4014 Meter an. Es fehlen drei Meter zur offiziellen Angabe.
Unendlich glücklich genieße ich diesen Moment. War ein harter Kampf heute mit viel weichem Schnee am Grat. Anstrengender als am Lagginhorn einige Tage zuvor. Ich bin erschöpft aber glücklich!